TÜV SÜD: Camper? Den bau ich mir selbst!

28. März 2022

Wohnmobile erleben einen Boom. In den eigenen vier Wänden unterwegs zu sein, ist zunehmend Ausdruck von Freiheit und Individualität. Mit eigenem Bett und eingerichteter Küche ist der Urlaub außerdem auch noch relativ coronasicher. Weil es aber in der Regel eine teure Angelegenheit ist, ein neues Wohnmobil zu kaufen, lockt fürs schmalere Portemonnaie der Eigenumbau eines Utility-Fahrzeugs. Hochdach-Kombis oder Transporter bieten die richtige Plattform und sind gebraucht günstig zu haben. Wer aber selbst umbaut, muss vieles beachten. Dazu hat der TÜV-Verband aktuell ein überarbeitetes Merkblatt herausgegeben. Tipps von den TÜV SÜD-Fachleuten.

Größeres Auto für den Familienzuwachs? Lass uns doch gleich einen Camper nehmen! So entscheiden sich immer mehr Menschen. „Der Anteil der Wohnmobile auf den Prüfgassen von TÜV SÜD hat in den vergangenen Monaten ordentlich zugenommen“, sagt Karsten Graef, Division Mobility bei TÜV SÜD. „Das gilt besonders auch für Hochdach-Kombis oder Transporter, die zur Begutachtung nach einem Umbau zum Wohnmobil vorfahren.“

Klar ist: Der Eigenumbau spart nicht nur Geld, sondern bringt auch den Vorteil, alles genau nach den eigenen Vorstellungen gestalten zu können. An welche gesetzlichen Vorgaben man sich halten muss, dazu hat der TÜV-Verband aktuell ein überarbeitetes Merkblatt veröffentlicht. Graef: „Sitze, Betten, Kochgelegenheit..., das Merkblatt bietet Orientierung und eine Zusammenfassung der geltenden Vorschriften, Richtlinien und Standards. Ganz grundsätzlich ist es trotzdem sinnvoll, die Umbaupläne in der Fachwerkstatt zu besprechen – auch wenn es online unzählige Umbauanleitungen gibt.“

Wohnmobil – kann ich da auch kochen?

Grundsätzlich gilt: Ein Wohnmobil ist ein Pkw. Er wird zum Camper, wenn er Tisch, Bett, Kochgelegenheit und Ablagefächer hat. Wer den entsprechenden Umbau plant, sollte sich vorab genau über seine Bedürfnisse, Inneneinrichtung, Platz, aber auch Reiserouten im Klaren sein. Für den Umbau kommen grundsätzlich alle Fahrzeuge infrage, wobei die 3,5 Tonnen Grenze aufgrund der am meisten verbreiteten Fahrerlaubnisklasse B beachtet werden sollte. Wer es geräumiger will, der braucht für Fahrzeuge mit mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht einen Lkw-Führerschein oder einen alten Führerschein der Klasse 3 (bis 1.1.1999), der das Fahren von Fahrzeugen bis zu 7,5 Tonnen erlaubt. „Für wen ein großes Wohnmobil wichtig ist, der sollte sich vorab überlegen, wo die Reise hauptsächlich hingehen soll. In der süditalienischen Kleinstadt oder auf der Küstenstraße der Calanche wird der Tourist mit dem umgebauten Laster schnell zum Verkehrshindernis und unterliegt vielleicht sogar Fahrbeschränkungen aufgrund der Achslasten“, sagt der Fachmann.

Platz? Weniger als daheim

Apropos Größe: Wer an die Karosserie möchte und sein Fahrzeug vergrößern oder auf andere Weise umbauen möchte, für den gelten sehr viele Vorgaben. Das Spektrum reicht von der Festigkeit des Aufbaus über die Auswahl der Materialien bis hin zu Einstiegen, Fluchtwegen, Fenstern oder zur Belüftung. So müssen Materialien verwendet werden, die nicht leicht entflammbar sind und splittersicher. Bei einer Trennung von Fahrer- und Wohnkabine muss die Kommunikation zwischen beiden gesichert sein, Einstiege sollten auf der von der Straße abgewandten Seite angebraucht werden und natürlich gefahrlos benutzbar sein. Wichtig ist auch, dass jederzeit für ausreichend frische Luft gesorgt ist – die Vorgaben dazu sind im TÜV-Merkblatt detailliert zusammengefasst.

Eine Besonderheit ist der Aufbau von Aufstelldächern. „Dabei immer eine Fachwerkstatt mit einbeziehen, weil große Teile der Dachstruktur durchschnitten werden müssen und dabei penibel auf Herstellervorgaben geachtet werden muss“, sagt Graef. Die Ausführung durch den Profi hat weitere Vorteile: „Wenn eine Fachwerkstatt das 'Himmelbett' draufgebaut hat, ist auch gewährleistet, dass das Auto dicht ist, nichts klappert oder knarzt“, sagt Graef. Der Einbau von Fenstern ist dagegen auch durch den versierten Laien möglich – vorausgesetzt alle Regeln werden eingehalten. So müssen beispielsweise alle Scheiben für den jeweiligen Verwendungsweck genehmigt sein und die Ausschnitte dafür dürfen nur an den freigegebenen Stellen gemacht werden.

Ambiente – wie daheim

Tisch, Bett, Stauraum gehören dazu, damit das Auto zum Wohnmobil wird. Beim Innenausbau sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt. Bei den Materialien muss wieder auf den Brandschutz geachtet werden. In Sachen Unfallvermeidung darauf achten, dass keine Kanten, vorstehende Teile oder auch enge Durchgänge zu Verletzungen führen können. Das gilt beispielsweise auch für die Griffe von Schubladen oder Schranktüren. Sie sollten versenkbar sein und nicht hervorstehen.

Essen – wie daheim

Zur Mindestausstattung im Camper gehört eine Kochgelegenheit. Sehr beliebt sind Gaskocher. Diese müssen fest eingebaut sein. Dabei gibt es einiges zu beachten, das von einem Laien nicht so einfach zu überblicken ist und die Bestätigung durch einen Gassachverständigen nach DVGW Arbeitsblatt G 607 erfordert. Hier ist also auch die Fachwerkstatt gefragt. Mobile Kocher mit einer Gaskartusche am Gerät werden daher oft als günstige Alternative eingebaut. Diese sind aber oft nicht für den Festeinbau und auch nicht für das Kochen im Innenraum geeignet und zugelassen. Weil auch sie fest eingebaut sein müssen, greifen viele Straßenköche zur Auszugsvariante am Heck des Fahrzeugs. Dazu wird der auf einer Platte zum Ausziehen festverbaute Herd bei geöffneter Heckklappe aus dem Fahrzeug gezogen. Die geöffnete Klappe kann gleichzeitig als Sonnen- oder Regenschutz dienen.

Achtung: Die Gaskartusche nach dem Gebrauch und vor dem Einzug unbedingt vom Kocher abschrauben und extra gesichert verstauen. Hinweis vom TÜV SÜD-Fachmann: „Insgesamt gilt bei Gasanlagen die DIN EN 1949:2011 für Flüssiggasanlagen in Wohnmobilen. Für die Kartuschen-Kocher ist diese jedoch nicht anzuwenden.“ Auch mit Spiritus oder Diesel betriebene Kochstellen sind erlaubt. Wie die Gasvarianten müssen auch sie fest eingebaut sein und den Vorschriften für den Gebrauch in Innenräumen entsprechen. Für die Luftversorgung gelten dieselben Regeln wie etwa für Zusatzheizungen.

Power – wie daheim

Strom? Na klar. Licht zum Lesen oder Spielen, zum Haare trocknen, für die Filterkaffeemaschine oder vielleicht sogar für einen Fernseher – mit 230 Volt-Versorgung klappt das am besten. Gespeist wird die Anlage meist von außen mittels spezieller Steckdose. Kleines Einmaleins für die elektrische Inneneinrichtung: CEE-Eingangssteckdose, FI-Schutzschalter, Absicherung der 12V-Stromkreise und ein Trennrelais zur Bordbatterie und anderen 12V-Verbrauchern. Alle Kabel müssen dreiadrig und aus Kupfer sein. Mindeststärke 1,5 Millimeter. Der Schutzleiter soll fest mit der metallenen Karosserie verbunden sein. „Insbesondere bei Strom gilt natürlich: Hier nur die Experten ranlassen“, sagt Graef.

Das überarbeitete Merkblatt für den Umbau zum Wohnmobil ist unter https://shop.tuev-verband.de/merkblaetter für einen Unkostenbeitrag downloadbar.